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»Keinen … noch ließ seine Heimat los«
Eichendorff-Gedenkplatte am Grab der Eltern und Geschwister des Dichters auf dem alten Friedhof in Lubowitz eingeweiht.

Im Rahmen der diesjährigen Feier von Eichendorffs Geburtstag in Lubowitz am 10. März wurde am Grab seiner Eltern und seiner im Kindesalter verstorbenen Geschwister auf dem alten Friedhof des Ortes eine Gedenkplatte durch Erzbischof Prof. Alfons Nossol, den früheren Oberhirten der Diözese Oppeln, eingeweiht. Die Einweihung fand im Anschluss an den von ihm gehaltenen festlichen Gottesdienst statt, bei dem er über seine ›Begegnungen‹ mit dem Dichter von Jugend an und über Eichendorffs Poesie sprach. Die zahlreichen Gottesdienstbesucher zogen sodann mit Blasmusik – angeführt vom em. Erzbischof und seinen Konzelebranten (zu denen neben dem Ortspfarrer Dr. Heinrich Rzega und dem Ratiborer Prälaten Johann Szywalski auch Dr. Peter Tarlinski, der Seelsorger für die Minderheiten im Bistum Oppeln, gehörte) sowie einer Schar Ministranten – in einer langen Prozession aus der Kirche zum Friedhof, vorbei am Kultur- und Begegnungszentrum und seinem davor vom hohen Sockel herabblickenden Namensgeber. Pfr. Dr. Tarlinski hat später den obligaten Festvortrag im Kultur- und Begegnungszentrum gehalten; sein Thema: »Der kirchliche Beitrag zur Förderung der deutschen Kultur nach der Wende von 1989 im Heimatland des Dichters Joseph von Eichendorff«.

Besagtes Grab, das nach Errichtung der jetzigen Pfarrkirche zu Beginn des letzten Jahrhunderts aus der abgerissenen alten Schrotholzkirche an den heutigen Platz verlegt worden ist, markiert seit dem Jahr 1936 ein Gedenkstein. Der aus einem hohen Mittelquader und zwei ihn flankierenden kleineren Quadern bestehende Gedenkstein war auf Anregung der fünf Jahre zuvor in Neisse – zusammen mit dem Enkel Karl des Dichters – gegründeten Deutschen Eichendorff-Stiftung zustande gekommen; geschaffen hat ihn der Ratiborer Bildhauer und Maler Julius Hoffmann. Die Finanzierung erfolgte durch die oberschlesischen Behörden unter Beteiligung des Herzogs von Ratibor.

Die Festrede zur Einweihung des Gedenksteins am 27. September 1936 hat der Obmann der Eichendorff-Stiftung, Rektor Karl Schodrok aus Oppeln gehalten; sie geriet ihm zu einer eigenartigen Mixtur aus redlicher Würdigung des Eichendorffschen Lebens und Werks und befremdlichen (offenbar seinem Dienstherrn geschuldeten) Anleihen aus der nationalsozialistischen Volkstumsideologie. Schodrok war übrigens nach der Restitution der Eichendorff-Stiftung im Jahr 1952 bis 1969, als sie in die Eichendorff-Gesellschaft umgewandelt wurde, ihr Vorsitzender; von 1952 bis 1965 leitete er ferner das von ihm mitbegründete Kulturwerk Schlesien, das 1975 auf der Grundlage der Westvermögen-Zuführungsverordnung in eine Stiftung überführt wurde, die – anders als die vor zwei Jahren aufgelöste Eichendorff-Gesellschaft – noch immer besteht.

Nach dem Krieg wurde der Gedenkstein seiner Inschrift und seines Dichterreliefs beraubt. Den Zerstörungsdrang mag die Erinnerung an die krude sog. ›Führeransprache‹ des Landrats von Ratibor bei der Einweihungsfeier des Denkmals mit befeuert haben, in der dieser darauf hinwies, »dass so vieles, wofür der Dichter Eichendorff vor 100 Jahren kämpfte, jetzt durch das Dritte Reich und unseren Führer seine Erfüllung gefunden habe«.

1988, im Jahr von Eichendorffs 200. Geburtstag, erhielt der Stein auf Betreiben von Blasius Hanczuch (des nachmaligen Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Bezirk Kattowitz, jetzt Schlesien) ein Bronzerelief des Dichters, das Georg Latton aus Kreuzenort bei Ratibor geschaffen hat; Lattons Kunstfertigkeit sind auch das in Ratibor wiedererrichtete Eichendorff-Denkmal und die Dichter-Büste vor dem Lubowitzer Begegnungshaus zu verdanken. Um die Bereitstellung der nötigen Mittel für den Bronzeguss des Reliefs hat sich Carl-Dieter Spranger aus Ansbach gekümmert, der damals Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern war. Ohne dieses Relief wüsste man gar nicht, dass das Grab etwas mit Eichendorff zu tun hat; andererseits werden manche Besucher durch das Relief zu der Annahme verleitet, der Dichter liege hier begraben.

75 Jahre nach Aufstellung des Gedenksteins und 66 Jahre nach seiner Schändung war es an der Zeit, ihm seine Inschrift zurückzugeben. Der weiche, brüchige Sandstein ließ eine ordentliche Bearbeitung und damit die Wiederherstellung der aus ihm herausgearbeiteten erhabenen Inschrift leider nicht zu. Nach Durchspielen verschiedener Alternativen – erwogen wurde auch, die Inschrift in metallenen Lettern auszuführen bzw. den Stein zu verkleiden oder ihn durch eine Neuanfertigung zu ersetzen – kam mit Einverständnis des Ortspfarrers der Vorschlag zum Zug, die rekonstruierte alte Inschrift auf einer über das Grab gelegten Granitplatte anzubringen. Sie sollte ein getreues Abbild der Sichtfläche des Gedenksteins und der nach vorn geklappt zu denkenden Seitenflächen des hohen Mittelquaders darstellen, die ebenfalls beschriftet waren. Hergestellt hat die Platte (auf hiesige Veranlassung) der Steinmetz Gerhard Wiglenda aus Ratibor, von dem auch der Sockel der großen Eichendorff-Büste vor dem Begegnungshaus sowie die Gedenktafeln in der Lubowitzer Pfarrkirche für den Dichter und für den Breslauer Fürstbischof von Schimonsky stammen.

Die Platte ist genauso breit wie der Gedenkstein und entsprechend den Breitenmaßen seiner Bestandteile dreigeteilt. In diese durch zwei vertikale Rillen getrennten Teilfelder wurden die unter Mithilfe des profunden Eichendorff-Kenners Dr. Franz Heiduk aus Würzburg (der sich bleibende Verdienste um die Herausgabe und Kommentierung der Eichendorff-Tagebücher erworben hat) rekonstruierten Inschriften vom Gedenkstein übernommen. So stehen im linken und rechten Teilfeld der Platte, in dem durch eine waagrechte Rille abgetrennten Sockelbereich, Name und Sterbejahr der Eltern des Dichters – links die Angaben für die Mutter und rechts für den Vater. Darüber sind beiderseits die entsprechenden Angaben der früh verstorbenen Geschwister des Dichters (je zwei Schwestern und Brüder) von den Seitenflächen des Mittelquaders festgehalten.

Das mittlere Feld der Platte enthält die Inschrift von der Vorderseite des Mittelquaders. Sie ist »Joseph Freiherr von EICHENDORFF, dem Sänger der Heimat*, und seinen Angehörigen, die in dieser Erde ruhen, zum Gedächtnis« gewidmet. Angegeben sind ferner das Geburtsdatum und der Geburtsort Lubowitz des Dichter; zusätzlich eingefügt wurden sein Sterbedatum und – um Missverständnisse zu vermeiden – der Sterbe- und Begräbnisort Neisse. Darauf folgt ein Zitat Eichendorffs aus dem Roman »Dichter und ihre Gesellen«, das seine Heimatverbundenheit eindrucksvoll belegt; es ist in Kursivschrift gesetzt und lautet: Keinen Dichter noch ließ seine Heimat los.

Auf einer eigenen Tafel wird demnächst eine polnischsprachige Erläuterung zum Gedenkstein und zur Gedenkplatte gegeben und gebeten werden, das Andenken an die Familie der hier beerdigten ehemaligen Guts- und Schlossherren von Lubowitz und die Verehrung ihres großen Sohnes zu respektieren, in dessen Gedichten und Liedern die Welt zu singen anhebt.

Die Heimatverbundenheit Eichendorffs wie der meisten Menschen – nicht nur der Dichter – hat auch Erzbischof Nossol in seiner Ansprache in der Kirche und in den Segensworten am Grab thematisiert und anklingen lassen, dass der Heimatbegriff für Eichendorff überdies eine religiöse Dimension hatte.

Das vorstehende Zitat war vor einigen Jahren schon auf einem Transparent zu lesen, das über die Schlossruine gespannt war. Daran wurde kurioserweise in einem am 20. November 2008 im 2. Programm des Hessischen Rundfunks gesendeten Beitrag Anstoß genommen und von einer »verkrampften Inanspruchnahme Eichendorffs für politische Zwecke« gesprochen. Man verstieg sich sogar dazu, eine Vereinnahmung des Dichters mit solchen und ähnlichen ›Heimat‹-Zitaten durch Vertreter deutscher Vertriebenen-Verbände zu unterstellen, »um Gebietsansprüche zu reklamieren«. Daraus spricht eine ideologische Verblendung, die nicht wahrhaben will, dass die Sehnsucht nach den Stätten der eigenen Kindheit und Jugendzeit niemandem fremd ist, und auch mich – ohne unversöhnliche Nebengedanken – alljährlich hierherkommen und etwas zur Bewahrung des Kulturerbes jener Gegend tun lässt, die die Heimat meiner Eltern und meiner frühen Kindheit war.

Bei der finanziellen Abwicklung des Vorhabens, dies sei hier dankbar vermerkt, haben die Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg und das Oberschlesische Eichendorff-Kultur- und -Begegnungszentrum in Lubowitz hilfreich die Hand gereicht.

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* Heimat im übernationalen Sinn



Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 2/2012 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg.
»Kulturpolitische Korrespondenz« Nr. 1319 vom 25. April 2012 der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa, Bonn (unter der Überschrift: »Keinen Dichter noch ließ seine Heimat los« – als Vorstufe der vorgenannten Veröffentlichung).
»SCHLESIEN HEUTE« 4/2012, Senfkorn-Verlag A. Theisen, Görlitz (unter der Überschrift: »Dem Sänger der Heimat … zum Gedächtnis« – als Vorstufe der erstgenannten Veröffentlichung).

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