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Heimkehr nach Lubowitz
Deutsch-polnische Schrift über Joseph von Eichendorff

Für das Heimatgefühl der Oberschlesier, der in der Bundesrepublik Deutschland neu heimisch gewordenen und der in ihrer angestammten Heimat gebliebenen Deutschen, hat der Dichter Joseph von Eichendorff (1788-1857) symbolhafte Bedeutung erlangt. Zahlreiche Eichendorff-Straßen, -Denkmäler und -Chöre zeugen bei uns davon. Und auch in seiner »Liederheimat« wird Eichendorff von den dort lebenden Deutschen »wiederentdeckt«. Die verschämte Feier zum 200. Geburtstag des Dichters am 10. März 1988 in seinem Geburtsort Lubowitz (jetzt Lubowice) bei Ratibor (Racibórz) markiert den Beginn einer wahren Volks- bewegung. Die Geburtstagsfeiern sind seither zu einem vielbesuchten Ereignis bekenntnishaften Charakters geworden - mit einem Gottesdienst in der Pfarrkirche, einer Lichterprozession zum Eichendorff-Gedenkstein auf dem alten Dorffriedhof, auf dem die Eltern und Geschwister des Dichters ruhen, und (soweit es die Witterung zuläßt) einem fröhlichen Singen vor den Überresten des in der Endphase des Kriegs zerstörten Eichendorff-Schlosses. Inzwischen gibt es in Lubowitz einen Eichendorff-Verein und eine Eichendorffstraße - letzteres übrigens auch in dem nur wenige Kilometer entfernten Ratibor. Der »Deutsche Freundschafts- kreis« (DFK) Ratibor, ein Zusammenschluß der Menschen deutscher Volkszugehörigkeit, wie sie in den letzten Jahren allerorten entstanden sind, erfreut sich eines stattlichen Eichendorff-Chors. Die Stadt macht auch durch ein nach Eichendorff benanntes überregionales Chorliederfestival von sich reden, das heuer schon zum dritten Mal veranstaltet wird. Neuerdings soll in Ratibor das nach dem Krieg verschwundene überlebensgroße Eichendorff-Denkmal nachgebildet und wieder an seinem alten Platz aufgestellt werden. Mein Vater, der seinerzeit täglich daran vorbeigekommen war, hatte mir als Kind davon erzählt und von dem Eichendorff-Schloß über dem Odertal gegenüber seinem Heimatort.

Als ich vor drei Jahren zum ersten Mal nach Lubowitz kam, waren die Aufräumarbeiten um die Schloßruine und im Park noch im Gange. Jahrelang wurden hier Schutt und Unrat abgeladen und aus dem zur Oder abfallenden Hang Kies abgebaut. Die amtliche Registrierung des Eichendorff-Vereins lag erst wenige Wochen zurück. Eine von ihm errichtete Tafel mit polnischer und deutscher Aufschrift macht mit der Örtlichkeit bekannt. Vom Schloßhof führt ein prächtig gewachsener Laubengang in den als »Hasengarten« bezeichneten Teil des Parks, dem Eichendorff eines seiner schönsten Gedichte gewidmet hat: O Täler weit, o Höhen... Dem Hinweis auf eine »Eichendorff-Gedenkstube« im nahegelegenen Pfarrhof folgend, traf ich auf den jungen Pfarrer Heinrich Rzega, einen glühenden Verehrer des Dichters, und Herrn Dr. Franz Heiduk von der Universität Würzburg, den langjährigen Geschäftsleiter der renommierten Eichendorff-Gesellschaft. Ihrem Zusammenwirken ist die Einrichtung eines Ausstellungsraums im Anbau des Pfarrhauses und die Instandsetzung des alten Friedhofs zu danken, auf dem noch der zerschrammte Eichendorff-Gedenkstein an den über das Land gegangenen »Bildersturm« gemahnte. Die in der Gedenkstube gezeigten Exponate - Bücher, Handschriften, Bilder und im Mittelpunkt ein Modell der Schrotholzkirche vom alten Friedhof, die nach Fertigstellung eines größeren Backsteinbaus zu Beginn dieses Jahrhunderts abgerissen wurde - hat größtenteils Franz Heiduk zusammengetragen. Leider war man noch nicht darauf eingerichtet, den Besuchern etwas Gedrucktes über bzw. von Eichendorff anzubieten.

Deshalb wollte ich mithelfen, Eichendorff in Wort und Schrift »heimzuholen« und gleichzeitig etwas zum Unterhalt der Gedenkstätte und zu ihrer weiteren Ausgestaltung sowie generell für die Arbeit des Eichendorff-Vereins beizutragen. Gedacht war an eine leicht verständliche, gleichwohl nicht simplifizierende Darstellung von Eichendorffs Leben und Werk vor dem Hintergrund seiner Zeit, mit einer Auswahl schöner Gedichte. Nach Möglichkeit sollte die Schrift zweisprachig sein, um neben den deutschen Besuchern auch die jüngeren, mit der deutschen Sprache wenig vertrauten Oberschlesier und die an Eichendorff interessierten Polen anzusprechen. Die Finanzierung des Vorhabens hat das in Bayern für ostdeutsche Kulturpflege zuständige Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung bzw. das ihm zur Seite stehende »Haus des Deutschen Ostens« in München übernommen, die den Eichendorff-Stätten in Lubowitz ihre besondere Unterstützung angedeihen lassen. Sie sind inzwischen für die Sanierung des Ausstellungsraumes aufgekommen und haben dem Eichendorff-Verein beim Erwerb eines an den Schloßpark und den alten Friedhof angrenzenden Grundstücks geholfen, auf dem einmal ein Kultur- und Begegnungszentrum entstehen soll. Zum Verständnis dieses Engagements: Eichendorff war einer der ersten Träger des von König Maximilian II. von Bayern im Jahr 1853 gestifteten, auch heute noch verliehenen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst; die Büste des Dichters steht seit seinem 100. Todestag im Jahr 1957 in der Walhalla bei Regensburg, dem bekannten Ruhmestempel zu Ehren großer Deutscher. Es ist zu hoffen, daß der von Prof. Wolfgang Frühwald, dem jetzigen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, im Jahre 1988 in einem Zeitungsartikel wohl erstmals ausgesprochene Wunsch, Lubowitz zu einer kulturellen Begegnungsstätte von Deutschen und Polen im Zeichen Eichendorffs auszubauen, bald in Erfüllung geht!

Inzwischen liegt die Eichendorff-Schrift als Publikation der Stiftung Kulturwerk Schlesien, der die Herausgabe anvertraut wurde, vor. Ein ansehnliches Werk von 120 Seiten Umfang im Format 20 cm x 20 cm. Den Umschlag schmückt ein Stahlstich aus der Mayer'schen Kunstanstalt in Nürnberg nach einer Daguerreotypie des Dichters, seinem »letzten Bild«. Autor ist der auf Vorschlag der Eichendorff-Gesellschaft gewonnene Philologe Dr. Volkmar Stein, ein ausgewiesener Kenner Eichendorffs. Es ist ein Genuß, sich in das Lebensbild des Dichters, eine facettenreiche erzählende Darstellung, zu vertiefen. Die Übersetzung des Textes ins Polnische besorgte eine Wissenschaftlerin der Universität Breslau, Frau Dr. Ewa Pietrzak. Für die Eichendorff-Gedichte im Anhang der Schrift hat dies die Schriftstellerin Dr. Renata Schumann, selbst gebürtige Oberschlesierin, die ich auf einer Lesung bei der Stiftung Kulturwerk Schlesien im Jahr 1991 kennenlernte, getan - wie mir polnischerseits bestätigt wurde, auf einfühlsame Art. Vier der 19 Gedichte sind zusammen mit den ihnen »anhaftenden« Melodien wiedergegeben, so beispielsweise O Täler weit, o Höhen und In einem kühlen Grunde. In den Text sind 12 Zeichnungen in feiner Tusch-Aquarelltechnik eingestreut. Der aus Oberschlesien stammende Maler, Graphiker und Architekt Marius Schlesiona, Kulturpreisträger 1989 des Landes Nordrhein-Westfalen, ließ sich zu einer Reise auf Eichendorffs Spuren anregen, von der er die Bilder mitbrachte: von Lubowitz und dem benachbarten Slawikau, von Schloß Tost, von Pogrzebin, der Heimat von Eichendorffs Frau, von den Studienorten Breslau und Heidelberg und von Neisse, wo der Dichter begraben ist. Die ganze Ausbeute der Streifzüge zu den wichtigsten Lebensstationen Eichendorffs wird übrigens vom 30. September bis 28. November dieses Jahres im Historischen Museum der mainfränkischen Stadt Wertheim zu sehen sein - darunter die Marienburg an der Nogat, die Marienkirche und der Lange Markt in Danzig, Ansichten von Halle, Berlin, Wien ...

Angesichts des vorliegenden reichen Bildmaterials hätte man sich eine gleichmäßigere Verteilung der in die Schrift aufgenommenen Bilder auf die Lebensstationen des Dichters gewünscht und daß man bei ihrer Identifizierung nicht allein auf die zuweilen nur schlecht lesbaren Notierungen des Künstlers angewiesen ist. Leider ist auch keine Verbindung zwischen Bild und Text hergestellt. Gerade bei dem ausführlich beschriebenen »ergreifendsten, letzten Bild« des Dichters hätte der Hinweis auf das Umschlagbild bzw. die Erklärung seiner Herkunft nicht fehlen dürfen. Im übrigen wäre eine Rückkoppelung zum Verfasser angebracht gewesen, zumal dieser von sich angeboten hatte, den Text erforderlichenfalls entsprechend anzupassen. Wer weiß beispielsweise schon, daß das abgebildete Schloß Tost (über der Straße von Oppeln nach Gleiwitz gelegen) mehr als Lubowitz das Urbild der vom Dichter besungenen Schlösser und für ihn Symbol des Verlusts der Heimat ist? Er selbst sagt darüber: »Das ist das Schloß, von dem ich so oft gesungen, wo die Elfen tanzen auf dem Waldesrasen, die Rehe im Mondschein grasen. Nun ist's verbrannt, es existiert nur mehr in Liedern und in Träumen.«

Renata Schumann hat den von ihr ins Polnische übertragenen Gedichten ein paar erklärende Worte vorausgeschickt, die als Motto über die ganze Schrift gesetzt werden könnten: »... Mit dem vorgelegten Versuch, Eichendorffs Gedichte ins Polnische zu übertragen, wollte ich vor allem den jungen Oberschlesiern, die die deutsche Sprache verloren haben, den Zugang zum Schaffen des größten oberschlesischen Dichters erleichtern ...« Daß durch die Herausgabe der Schrift auch und gerade der Eichendorff-Verein und die Eichendorff-Gedenkstätte in Lubowitz unterstützt werden sollen, bleibt dagegen unausgesprochen. Die im Textteil enthaltenen Gedichte wurden von Ewa Pietrzak mitübersetzt. Insofern ergeben sich interessante Vergleichsmöglichkeiten; dies gilt vor allem für jene Gedichte bzw. Gedichtstrophen, die sowohl im Text wie im Anhang vorkommen. Schade, daß dem »Kirchenlied« (O Maria, meine Liebe!) keine Noten beigegeben wurden. Eichendorff hat das »Kirchenlied« 1823 auf Bitten des Fürstbischofs von Ermland gedichtet, der kurze Zeit darauf feststellte: »Schon wird es im lieben Ermlande nach einer sehr lieblichen Weise von Tausenden gesungen.« Ich habe in einer 1911 herausgegebenen Sammlung katholischer deutscher Kirchenlieder Noten mit der Herkunftsangabe »Glatz 1894 Nr. 71« gefunden. Das Lied wäre es wert, wieder zum Leben erweckt zu werden - insbesondere in der schlesisch-mährischen Heimat Eichendorffs.

Die geplante deutsch/tschechische Ausgabe bietet hoffentlich schon bald Gelegenheit, die Schrift noch in dem einen oder anderen Punkt zu verbessern.

Die Eichendorff-Schrift wird dem Lubowitzer Eichendorff-Verein demnächst unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Der Verkauf der Schrift soll dem Verein eine dringend benötigte Einnahmequelle verschaffen; hieraus sind jedoch auch die künftigen Nachdrucke zu finanzieren. Infolgedessen ist jede weitere Unterstützung will- kommen. Der Verein zählt derzeit über 120 Mitglieder; etwa ein Viertel davon kommt aus der Bundesrepublik. Für Eichendorff-Freunde, die dem Verein mit einer Geldspende und/oder durch ihre Mitgliedschaft unter die Arme greifen wollen (steuerlich verwertbare Quittungen über Spenden und Beiträge werden erteilt), hier seine Anschrift und Bankverbindung: Lubowitzer Eichendorff-Verein, ul. Josefa von Eichendorffa 15, PL 47-417 Lubowice. Bankverbindung im Jahr 2005: Dresdner Bank (BLZ 370 800 40) Kto.-Nr. 226661100.




Erschienen in:
»Kulturpolitische Korrespondenz« Nr. 872 vom 25.7.1993 der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat




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