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Lebensbild '93
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Ferienaufenthalt
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Denkmal in Lubowitz
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Lebensbild '01
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Taugenichts-Ausgabe
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Taugenichts-
Aufführung '03

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Geburtstagsfeier '04
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Denkmal in Ratibor
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Cöthen
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Gedenktafel in Breslau
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Gedenk-Jahr '07
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Taugenichts-
Aufführungen '07

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Ausstellung zum
150. Todestag

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Gedenkplatte in
Lubowitz

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Denkmal in Breslau
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» ... und es war alles, alles gut!«
Deutsch-polnische Ausgabe des Eichendorff’schen »Taugenichts« im oberschlesischen Geburtsort des Dichters vorgestellt

» ... und es war alles, alles gut!« sind die geflügelten Schlußworte einer berühmten Dichtung, die mit der Vertreibung des Titel-»Helden« aus dem Paradies seiner Kindheit und Jugend beginnt. Die Rede ist von der Novelle »Aus dem Leben eines Taugenichts« von Joseph von Eichendorff. An alte Traditionen anknüpfend, hat der einst in Breslau, jetzt in Würzburg beheimatete Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn eine zweisprachige, deutsch-polnische Ausgabe dieses Werkes erscheinen lassen. Es folgt auf die vor zwei Jahren im gleichen Verlag neu herausgekommene deutsch-polnische Eichendorff-Biographie »Ein Lebensbild« mit Gedichtanhang. Die »Taugenichts«-Ausgabe ist, wie es im Widmungstext heißt, »vornehmlich den an deutscher romantischer Literatur sowie am Schaffen des Dichters Joseph von Eichendorff interessierten polnischsprachigen Lesern zugedacht und unter ihnen besonders jenen, die das Werk im Originaltext kennenlernen möchten«. Dabei stehen insbesondere die heute eine Minderheit bildenden Deutschen in Oberschlesien, der Heimat Eichendorffs, im Blick, die – ein traurig stimmendes Ergebnis langjähriger Zwangsassimilation – häufig der deutschen Sprache weniger mächtig sind als der polnischen. Das Buch wurde im ›Oberschlesischen Eichendorff-Kultur- und -Begegnungszentrum Lubowitz‹ im Rahmen der diesjährigen Gedenkfeier zum 215. Geburtstag des Dichters vorgestellt und in größerer Stückzahl dieser Einrichtung übergeben: zum Verkauf an Besucher und zur Weitergabe an interessierte Schulen, vorzugsweise bilinguale Lyzeen im Oppelner Schlesien. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, was das ›Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte‹ in Oldenburg 1997 zur Förderungswürdigkeit des Übersetzungsvorhabens festgestellt hat: »Soll Eichendorff – wozu er sich aufgrund seiner christlichen Humanität durchaus eignet – als Integrationsfigur im heutigen Schlesien dienen, dann ist es dringend erforderlich, seine Werke in Übersetzungen zugänglich zu machen, da der Dichter ansonsten nur ›Besitz‹ der deutschen Minderheit (und einiger weniger polnischer Germanisten) bleibt.«

Herausgegeben wurde die Schrift vom ›Verein der Freunde und Förderer der Stiftung Kulturwerk Schlesien‹ – gestützt auf einen stattlichen Zuschuß des Freistaats Bayern (durch das Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen – über das ›Haus des Deutschen Ostens‹ – und das Staatsministerium für Unterricht und Kultus), nachdem die in Aussicht gestellte Förderung aus Bundesmitteln nicht zustande kam und das Vorhaben in unzumutbarer Weise verzögert hatte. Meine Bemühungen um eine adäquate, den Zauber des »Taugenichts« und der Eichendorffschen Erzählkunst vermittelnde Übersetzung gehen bis ins Jahr 1993 zurück, in dem das genannte »Lebensbild« des Dichters zum ersten Mal erschien. »Kein andres Volk hat solch Buch«, schrieb Theodor Fontane über den »Taugenichts«, und Thomas Mann widmete ihm eine begeisterte Lobrede, in der es heißt: » ... er ist nichts als Traum, Musik, Gehenlassen, ziehender Posthornklang, Fernweh, Heimweh, Leuchtkugelfall auf nächtlichen Park, törichte Seligkeit, so daß einem die Ohren klingen und der Kopf summt vor poetischer Verzauberung und Verwirrung«.

Der für die anspruchsvolle Aufgabe richtige Übersetzer wurde aus einem dem ›Deutschen Polen-Institut Darmstadt‹ geeignet erscheinenden kleinen Kreis renommierter Übersetzer aufgrund der von ihnen erbetenen Übersetzungsproben gefunden; bei der Beurteilung halfen zwei in München tätige bekannte polnische Germanistinnen und ein Polonist der Universität Regensburg mit. Auf diese Weise wurde der durch Übersetzungen zahlreicher Werke der klassischen und modernen deutschen Literatur hervorgetretene Redakteur und nachmalige Leiter der Sektion »Deutschsprachige Literatur« der Warschauer Monatsschrift »Literatur in der Welt« Jacek St. Buras ausersehen. Selbstverständlich war zuvor geprüft worden, ob eine polnische Ausgabe des »Taugenichts« am Buchmarkt etwa schon vorhanden (und nicht vergriffen) ist oder eine brauchbare Übersetzung des Werks vorliegt. Ersteres war nicht der Fall, und die zuletzt im Jahr 1975 von Kazimierz Karkow­ski herausgebrachte Übersetzung entsprach in ihrer etwas altertümlichen Ausdrucksweise nicht den heutigen Vorstellungen. Von der Entscheidung für den (mit Aufträgen überhäuften) Übersetzer bis zu seiner verbindlichen Zusage und zur Ausführung der Arbeit war allerdings noch ein weiter Weg.

Vermutlich würden wir noch heute auf die Realisierung warten, wenn Herr Buras im Sommer 1996 nicht auf Empfehlung von Tankred Dorst ein paar Wochen »Produktivurlaub« in der Künstler-Villa »Waldberta« der Stadt München am Starnberger See verbracht hätte, und ich dadurch Gelegenheit erhielt, ihn persönlich kennenzulernen. Daraufhin nahm er sich des »Taugenichts« unter Zurückstellung anderer Aufträge an und teilte mir beispielsweise am 4. Juni 1997 freudig mit: »Ich bin inzwischen bereits voll bei der Arbeit, die mir auch großen Spaß macht, und ich danke Ihnen schon jetzt, daß Sie mich trotz meines hartnäckigen Widerstands mit Ihrer Geduld und Nachsicht dazu gewissermaßen ›gezwungen‹ haben. Deutsche romantische Prosa (und vor allem die Prosa Eichendorffs) ins Polnische zu übersetzen, ist eine schwere Aufgabe, weil wir praktisch keine eigenen Werke aus dieser Zeit haben, so daß man die Sprache mehr oder weniger erfinden muß. Aber das eben reizt mich sehr. Ich glaube jetzt, nach einigen Wochen Kampf, den richtigen Ton getroffen zu haben, und so bin ich einigermaßen optimistisch.« Etwas später vermeldete er, »mit dem ›Taugenichts‹ ein gutes Stück vorangekommen« zu sein, »wenn auch die eingestreuten Lieder mir den Schweiß aus den Poren treiben«. Glücklicherweise konnte Herr Buras die Arbeit Anfang November 1997 beenden, wenige Tage bevor er von der neugebildeten liberal-konservativen polnischen Regierung zum Leiter des ›Polnischen Instituts‹ in Wien bestellt wurde.

Nicht minder leicht war es, dem bis letztes Jahr amtierenden Präsidenten der ›Eichendorff-Gesellschaft‹, dem Erlanger Literaturwissenschaftler, Lyriker und Essayisten Prof. Peter Horst Neumann ein Nachwort zur »Taugenichts«-Ausgabe zu entlocken. Das den Eichendorff-Text inhaltlich und biographisch erschließende Nachwort lag im Frühjahr 1999 vor; es bedenkt auf einfühlsame Weise auch die Leser mit, wenn es darin u.a. heißt: »Vielleicht hat kein anderer für das Vertriebensein aus den Orten der Herkunft so herzbewegende Worte gefunden, wie er in seinen Gedichten, von denen einige zu deutschen Volksliedern wurden, viele aber Musiker wie Schumann, Mendelssohn-Bartholdy oder Hugo Wolf zu bedeutenden Kompositionen inspirierten. Daher ist es nicht verwunderlich, daß die aus Schlesien vertriebenen Deutschen Joseph von Eichendorff besonders anhänglich lieben. Dies werden die nach Schlesien vertriebenen Polen gewiß verstehen.«

Den Weg zur Illustratorin der »Taugenichts«-Ausgabe, der »grande dame« des deutschen Scherenschnitts Luise Neupert aus dem ostthüringischen Schmölln bei Altenburg, haben mir dankenswerterweise Frau Dr. Hanna Nogossek (seinerzeit ›Künstlergilde Esslingen‹, jetzt ›Deutsches Kulturforum östliches Europa‹ in Potsdam) und Herr Dr. Bernhard Lauer, der Leiter des ›Brüder-Grimm-Museums‹ in Kassel, gewiesen. Der Katalog zu einer Ausstellung Neupertscher Scherenschnitte im Brüder-Grimm-Museum offenbarte die große Meisterschaft der Künstlerin. Er enthielt auch drei Scherenschnitte, zu denen sie sich durch die »Taugenichts«-Novelle (genauer von Textstellen im 5., 7. und 8. Kapitel) hatte anregen lassen. Auf meine Bitte nahm Frau Neupert dieses Werk erneut zur Hand und gewann ihm innerhalb kurzer Zeit eine Folge von elf weiteren phantasie- und humorvoll gestalteten Bildmotiven ab. Aus diesem Fundus konnten die jedem der zehn Kapitel des Werks vorangestellten Illustrationen ausgewählt werden, ferner das Titelbild des mit seiner Geige in die weite Welt hinausziehenden Taugenichts, das Lied vom »Frohen Wandersmann« auf den Lippen, und das auf der Umschlag­rück­seite wiedergegebene Bild der von ihm verehrten, in einem Kahn »still-lächelnd in die klaren Wellen« blickenden »vielschönen Fraue«. Die Bezugstexte zu den Illustrationen sind im Anhang der Schrift zusammengestellt. Dort finden sich auch biographische Angaben zum Übersetzer, zum Nachwortverfasser und zur Graphikerin.

Den Abschluß der Buchvorstellung und der Gedenkfeier insgesamt bildete eine Vorführung des »Taugenichts«-Films von Bernhard Sinkel aus dem Jahr 1978, dem Kritiker jedoch schon seinerzeit nur »angestrengtes [nicht recht gelungenes] Bemühen um das literarische Vorbild« attestieren konnten. Ein Grund mehr, das Werk im Original kennenzulernen! Wenn alles gut geht, wird eine dramatisierte Fassung des »Taugenichts« im Sommer vor der Ruine des Eichendorff-Schlosses in Lubowitz zu sehen sein – mit dem aus dem Münchner Theaterleben sowie von zahlreichen Film- und Fernsehrollen her bekannten Schauspieler Gerd Lohmeyer in der Titelrolle.




Erschienen in:
»Schlesischer Kulturspiegel« 2/2003 der Stiftung Kulturwerk Schlesien, Würzburg
»Kulturpolitische Korrespondenz« Nr. 1168 vom 30.5.2003 der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat




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