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Gerhart Hauptmann und das Deutsche Museum in München
Zum 75. Todestag des Dichters

Am 6. Juni 1946, also vor 75 Jahren, ist der große deutsche Dichter schlesischer Herkunft Gerhart Hauptmann, der 1912 (50-jährig) »vornehmlich für seine reiche, vielseitige, hervorragende Wirksamkeit auf dem Gebiete der dramatischen Dichtung« mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, in seiner ›Trutzburg‹, dem Haus Wiesenstein (nunmehr ein der Erinnerung an den Dichter gewidmetes Museum) in Agnetendorf (poln. Jagniątków) im Riesengebirge – heute Teil der Stadt Hirschberg (Jelenia Góra) – , gestorben. Zu seinem 50. Todestag im Jahr 1996 hat in diesem Gebäude, das nach dem Krieg jahrelang als Kindererholungsheim genutzt wurde, eine erstmals Deutsche und Polen vereinende denkwürdige Feier stattgefunden – Näheres darüber ist unter www.willisch.eu, Indexpunkt Gerhart Hauptmann, festgehalten.

Anlässlich des 75. Todestags von Gerhart Hauptmann soll hier weniger sein dichterisches Schaffen als seine »volksverbundene Repräsentanz« (die ihm nach Thomas Mann in der Weimarer Republik die Titel ›Vater des Volkes‹ wie ›König der Republik‹ einbrachte) am Beispiel eines Großereignisses in München thematisiert werden: der Eröffnung des Deutschen Museums in einem Neubau auf einer befestigten Kiesbank inmitten der Isar am 7. Mai 1925; sie war durch den Ersten Weltkrieg und seine wirtschaftlichen Folgen lange Jahre verhindert worden, denn der Gründungsakt des Museums hatte bereits im Jahr 1906 stattgefunden – im Beisein des deutschen Kaisers – sowie fünf Jahre später das Richtfest. Von der pompösen Eröffnungsfeier wurde im Nachhinein oft als vom »letzten Fest der Weimarer Republik« gesprochen.

Der Museumsgründer Dr. Oskar von Miller, Sohn des Erzgießers Ferdinand von Miller, dem München den Bronzeguss der riesigen ›Bavaria‹ über der Theresienwiese – ein Sinnbild Bayerns – verdankt, hatte zu der Feier alle Persönlichkeiten von Rang und Namen eingeladen. Auch den »Hochwohlgeborenen Herrn Schriftsteller Dr. h.c. Gerhart Hauptmann« hat er angeschrieben und ihm mitgeteilt, dass der wichtige Eröffnungsakt eine ganz besondere Weihe erfahren würde, wenn »der größte lebende deutsche Dichter zum deutschen Volke sprechen wollte«.

Hauptmann antwortete hierauf aus seinem Winterquartier in Rapallo telegraphisch, dass er die Aufgabe »überaus ehrenvoll und verlockend« empfinde und »gern in eine Besprechung eintreten« würde. Bei dem daraufhin vereinbarten Besuch von Millers in Rapallo einigte man sich darauf, dass der Dichter zur Einweihung des neuen Hauses einen Festakt verfassen werde; er sah in der Eröffnung des Deutschen Museums ein »glückverheißendes Zeichen des Wiederaufbaus« in der »schweren Zeit des Vaterlandes« nach dem Ersten Weltkrieg. Vier Wochen nach besagtem Treffen ließ Hauptmann seine Privatsekretärin Elisabeth Jungmann durch den abgebildeten handschriftlichen Brief mitteilen, dass er den ›Festaktus‹ fertiggestellt habe und in Kürze übersenden werde – was in Wochenfrist geschah. Von Miller bedankte sich ergebenst und teilte mit, dass

Hauptmann zeigte sich erfreut, mit seinem Werk den Erwartungen »einigermaßen … entsprochen zu haben«, und war mit den getroffenen Dispositionen sehr einverstanden.

Und so gelangte das Fest- und Weihespiel am 7. Mai 1925 in der 2.000 Personen fassenden Mittelhalle des Museums-Neubaus zur Aufführung: von Fanfarenstößen eingeleitet, von den Chören der »Jünglinge und Mädchen« beschlossen – deren Vertonung und Gesang der Dichter sich »groß, gewaltig, aufschwunghaft« wünscht – und feierlich besiegelt durch die Nationalhymne.

Im Verlauf des Stücks treten auf: ein Herold, der (getreue) Eckhart, ein Jüngling, eine Jungfrau, der Schmied, Peter Vischer (der Nürnberger Erzgießer, Schöpfer des monumentalen Sebaldusgrabs in der gleichnamigen Kirche), der Pilger, das Kind, der Baumeister, eine schleiergeschmückte, auf goldenem Sessel thronende Frauengestalt (Deutschland verkörpernd), die Stadtgöttin, Handwerker und Volk.

Der die Gäste bewillkommnende Herold bringt es gleich auf den Punkt: »Ein Werk ist uns gelungen, und, wir leugnen’s nicht, / ein deutsches Werk. Allein, wo immer auch ein echtes Werk / vollendet ward, es schenkte sich der ganzen Menschheit hin.«

Aus der (Gelegenheits-)Dichtung seien zwei weitere Passagen hervorgehoben, die beim Lesen haften geblieben sind, sinnspruchhaft die eine und auf das noch in statu nascendi befindliche Haus abhebend die andere: Die Aufführung endete mit einem hymnischen Schlusschor zu des Dichters Versen:

»Die Herzen hoch, die Hände rein und stark,
so wollen wir von neuem uns erheben.
In unsern Gliedern glüht das alte Mark:
wo Leben ist, da ist es neues Leben!
Es schäume auf, es wachse, blühe, werde
das neue Leben auf der alten Erde.«

Im Anschluss an den mit der Nationalhymne ausklingenden Festakt wurde die Prominenz im Saale festlich bewirtet.

Um den Münchnern die Teilhabe an dem Fest zu ermöglichen, hatten Schulen und Behörden auf Initiative von Millers (der am Eröffnungstag des Museums seinen 70. Geburtstag beging) schon ein, zwei Tage vorher frei bekommen und konnten so den Umzug der gesammelten Objekte aus ihrem Provisorium im alten Nationalmuseum in der Maximilianstraße (wo heute das Museum der Fünf Kontinente untergebracht ist) durch die geschmückten Straßen verfolgen, was sie zu Tausenden taten, die Festzugsroute säumend.

Im Nachgang zu den Festivitäten schrieb Oskar von Miller dem Dichter, dass die feierliche Eröffnung des Deutschen Museums (der er nicht beigewohnt hat) »in glänzender Weise verlaufen« ist und sein Bühnenstück mit »Begeisterung und Freude« aufgenommen wurde. Als äußeres Zeichen der Dankbarkeit übermittelte er ihm ein Gebinde »des besten Weines, der auf den bayerischen Staatsgütern gedeiht und von der Bayerischen Staatsregierung für die hervorragendsten Förderer des Museums geschenkt wurde«, nämlich »fünfundzwanzig Flaschen edlen Steinweins« – hierbei kann es sich nur um den berühmten ›Würzburger Stein‹ der Staatlichen Hofkellerei Würzburg gehandelt haben.

Gerhart Hauptmann nahm über 1925 hinaus Anteil an der weiteren Entwicklung des Museums – als Mitglied und durch seine (gewählte) Mitgliedschaft im Museums-›Ausschuss‹. Insofern kann man sich vorstellen, wie nahe es ihm gegangen sein mag, als er von der Zerstörung des Deutschen Museums in den Jahren 1944 und 1945 hörte. Bei seiner unerschütterlichen Vaterlandsliebe (wie allein aus seinem Festaktus zu ersehen) muss es ihn tief getroffen haben, in seinen letzten Tagen noch den Untergang Dresdens mitansehen und erfahren zu müssen, dass darüber hinaus Deutschland in Trümmern versank und Millionen seiner Landsleute aus der angestammten Heimat vertrieben wurden – was ihm nur durch einen sowjetischen Schutzbrief und den Tod erspart geblieben ist. Die Liebe zu Deutschland und die Zuversicht seiner Wiedergeburt fanden in dem bewegenden Aufruf an das deutsche Volk Ausdruck, der am 11. Oktober 1945 in der ›Täglichen Rundschau‹ in Berlin veröffentlicht wurde, einer Zeitung der Roten Armee, die Schlesien und den Osten Deutschlands erobert hatte; darin heißt es u. a.:

»Es gibt keinen Augenblick, in dem ich nicht Deutschland gedenke…. Jeder kleine Fortschritt bedeutet mir, Tag und Nacht, im Traum und im Wachen, Deutschland…. Wenn etwas hinzukommt, so ist es der feste Glaube an Deutschlands Neugeburt, und davon lasse ich nicht einen Augenblick….«

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Vorstehendem Beitrag liegt die Korrespondenz zwischen Oskar von Miller und Gerhart Hauptmann im Hinblick auf die Eröffnung des Deutschen Museums am 7. Mai 1925 zugrunde – veröffentlicht von Friedrich Klemm in den Abhandlungen und Berichten des Deutschen Museums, Heft 1/1966.






Erschienen in:
»SCHLESIEN HEUTE« 6/2021, Senfkorn-Verlag A. Theisen, Görlitz/Schlesien




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